Februar 1994 - SUVA-Bulletin
Leben Jungfrauen gefährlicher als Löwen?
"Seien Sie heute besonders vorsichtig!" Nicht selten sind in
Zeitschriften unter der Rubrik "Horoskop" Hinweise auf eine erhöhte
Unfallgefahr zu finden. Weisen die verschiedenen Tierkreiszeichen
tatsächlich unterschiedliche Unfallhäufigkeiten auf? Gestützt auf
die Nichtberufsunfallstatistik der SUVA versucht der folgende Beitrag,
diese Frage zu beantworten.
Von der Erde aus betrachtet, durchläuft die Sonne auf ihrer
jährlichen Bahn, der Ekliptik, die zwölf Tierkreiszeichen.
Der astrologische Begriff "in einem bestimmten Zeichen geboren"
bedeutet demnach, dass die Sonne bei der Geburt im betreffenden
Zeichen stand. Als "Widder" (das erste Zeichen des Tierkreises)
werden beispielsweise alle jene Personen bezeichnet, die zwischen
dem 21. März und dem 20. April ihren Geburtstag feiern.
Unfallhäufigkeit
Da das Geburtsdatum von verunfallten SUVA-Versicherten aus der
Unfallmeldung ersichtlich ist, bereitet es keine Probleme, die
Verunfallten den entsprechenden Tierkreiszeichen zuzuordnen.
In Grafik 1 ist die jährliche Zahl der Freizeitunfälle (NBU) für die
einzelnen Tierkreiszeichen dargestellt. Erstaunlicherweise beträgt
die Differenz zwischen dem Zeichen "Widder" mit den meisten
Verunfallten und dem Zeichen "Schütze" mit den wenigsten Verunfallten
mehr als 5000. Gemessen an den rund 20000 verunfallten "Schützen"
ist dies ein Unterschied von 25 Prozent! Natürlich darf daraus nicht
gefolgert werden, dass "Widder" stärker unfallgefährdet sind
als "Schützen". Die Unfälle müssen mit der entsprechenden
Bezugspopulation - also den Versicherten - verglichen werden.
Falls nämlich in der Bezugspopulation mehr "Widder" als "Schützen"
vorkommen, ist es ganz natürlich, dass auch mehr "Widder" verunfallen.
Ein Hinweis darauf, warum das Zeichen "Schütze" am seltensten vorkommt,
liegt schon in der Definition der Tierkreiszeichen begründet.
Diese sind nicht alle von gleicher Dauer, wie die entsprechende
Aufstellung zeigt. Das Zeichen des "Schützen" umfasst beispielsweise
nur 29 Tage, dasjenige der "Zwillinge" jedoch 32 Tage. Dieser
Umstand hängt mit der elliptischen Umlaufbahn der Erde um die Sonne
und mit der Rundung auf ganze Tage zusammen.
Doch weniger "Schützen"!
Die unterschiedliche Dauer der Tierkreiszeichen bewirkt aber höchstens
eine Differenz von rund zehn Prozent. Für weitere Erklärungen muss also
trotzdem die Bezugspopulation untersucht werden. Dies ist allerdings
nicht ganz einfach: Es fehlen die entsprechenden Angaben über das
Geburtsdatum aller Versicherten, weil die SUVA die Lohnsumme der
Betriebe und nicht Einzelpersonen versichert.
Aufgrund der Volkszählung im Jahre 1990 kann jedoch das Bundesamt für
Statistik die unselbständig erwerbstätigen (alle der obligatorischen
Unfallversicherung unterstellten) Personen nach Geburtstag und
Geburtsmonat ausweisen. Weil die SUVA rund zwei Drittel dieser
Personen versichert, darf angenommen werden, dass die beobachteten
Anteile der Tierkreiszeichen repräsentativ sind. Aus Grafik 2 ist
ersichtlich, dass die Verteilung der Verunfallten mit der Verteilung
der Erwerbstätigen fast identisch ist. In der Schweiz gibt es also
wirklich viel weniger "Schützen" als "Widder"!
Gleiches Unfallrisiko
Die Darstellung der relativen Unfallhäufigkeit in Grafik 3 erlaubt
nun die Beantwortung der Frage, ob die verschiedenen
Tierkreiszeichen unterschiedliche Unfallrisiken aufweisen.
Die Antwort lautet: Nein. Die kleinen, überhaupt feststellbaren
Unterschiede liegen im Bereich der zufälligen Streuung der
Unfallzahlen (für statistisch Interessierte: innerhalb der
Grenzen eines 95%-Vertrauensintervalls).
Grafik 4 unterscheidet sich schliesslich von Grafik 3 nur in der
Wahl des Skalenbereichs. Durch die gezielte Auswahl eines kleinen
Bereiches sind - wie beim Zoom einer Kamera - auch die kleinen
Details (d.h. nur die oberen Enden der Balken) sichtbar. Die in
Grafik 3 kaum erkennbaren Unterschiede können nun besser
verglichen werden. Auf 1000 Personen im Zeichen der "Jungfrau"
ist beispielsweise nur ein Unfall mehr zu verzeichnen als auf
1000 Personen des Tierkreiszeichens "Löwe".
Es ist zu bezweifeln, dass im Jahr 2000, wenn die nächste analoge
Auswertung möglich ist, immer noch die gleichen Zeichen über oder
unter dem Durchschnitt liegen. Dass es in der Schweiz jedoch - um
auf Grafik 2 zurückzukommen - immer noch mehr "Widder" als "Schützen"
geben wird, ist sehr wahrscheinlich. Die regelmässigen Unterschiede
zwischen benachbarten Zeichen deuten auf einen saisonalen Effekt in
der Geburtenrate hin: Im März und April kommen offenbar die meisten
Kinder zur Welt.
Suva, Bereich Statistik
Dauer der Tierkreiszeichen
Tierkreiszeichen |
Datum |
Tage |
Widder |
21.03. – 20.04. |
31 |
Stier |
21.04. – 20.05. |
30 |
Zwilling |
21.05. – 21.06. |
32 |
Krebs |
22.06. – 22.07. |
31 |
Löwe |
23.07. – 22.08. |
31 |
Jungfrau |
23.08. – 22.09. |
31 |
Waage |
23.09. – 22.10. |
30 |
Skorpion |
23.10. – 21.11. |
30 |
Schütze |
22.11. – 20.12. |
29 |
Steinbock |
21.12. – 19.01. |
30 |
Wassermann |
20.01. – 18.02. |
30 |
Fisch |
19.02. – 20.03. |
30 * |
* 31 in Schaltjahren |